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@ Die Friedenstaube
2025-04-19 13:37:37Autor: Mathias Bröckers. Dieser Beitrag wurde mit dem Pareto-Client geschrieben. Sie finden alle Texte der Friedenstaube und weitere Texte zum Thema Frieden hier. Sie wollen die neuesten Pareto-Artikel auf einen Blick sehen (Friedenstaube & Co.), um nichts mehr zu verpassen?* Hier geht es zu unserem Telegram-Kanal.***
»Die meisten domestizierten Primaten auf Terra hatten keine Ahnung davon, dass sie Primaten waren. Sie hielten sich für etwas anderes und ›Besseres‹ als den Rest des Planeten. Selbst Benny Benedict ging in seiner Kolumne ›Noch einen Monat‹ davon aus. Benny hatte zwar Darwin gelesen, aber das war im College gewesen und schon eine Weile her. Er hatte dort auch von Wissenschaften wie Ethologie und Ökologie gehört, aber die Fakten der Evolution waren ihm nie richtig klar geworden. Er hielt sich keineswegs für einen Primaten und hatte auch noch nie bemerkt, dass seine Freunde und Bekannten welche waren. Vor allem erkannte er nicht, dass die Alphamännchen ... typische Anführer von Primatenbanden waren. Als Folge dieser Unfähigkeit, das Offensichtliche zu erkennen, war Benny ständig über sein eigenes Verhalten und das seiner Freunde, Bekannten und besonders der Alphamännchen bekümmert, manchmal sogar richtiggehend entsetzt. Weil er nicht wusste, dass dies ein ganz normales Primatenverhalten ist, erschien es ihm einfach s c h r e c k l i c h.«
Robert A. Wilson, Schrödingers Katze
Das Durchschnittsbewusstsein der domestizierten Primaten auf der Erde zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass es sich eine weder lebende noch tote Katze, mit der Erwin Schrödinger einst die Konsequenzen der Quantenphysik erklärte, nicht vorstellen kann. Koexistierende Zwischenzustände zwischen Dasein und Nicht-Dasein – sei es von Katzenkörpern oder von Atomteilchen – sind für den gemeinen Primatenverstand ein Unding, und so kommt es, dass auch 80 Jahre nach ihrer Entdeckung die Quantenrealität kaum wahrgenommen wird. Das kann nicht überraschen. Nicht einmal die fast 500 Jahre alte Entdeckung des Kopernikus ist in die semantischen Schaltkreise der Primatenhirne eingegangen: Bis heute reden sie davon, dass die Sonne »auf«- oder »unter«-geht. Wie tief diese Prägung ist, kann jede/r beim nächsten prächtigen Sonnenuntergang überprüfen: Es dauert einige Minuten, bis man sich klar gemacht hat und »spürt«, dass nicht die Sonne, sondern die Erde sich dreht.
Wann kommt unsere kopernikanische Wende?
Woran liegt es, dass unserem Bewusstsein auch nach einem halben Jahrtausend die kopernikanische Wende nicht implantiert ist? Robert Anton Wilson zufolge sind es die zwei ältesten und am tiefsten geprägten Schaltkreise des Primatenhirns – sie sichern Bio-Überleben und emotional-territorialen Ansprüche –, die den von Symbolen (Sprache) geprägten dritten Schaltkreis okkupieren. Dank dieses egozentrischen »Reptilienhirns«, wie Carl Sagan es nannte, empfinden domestizierte Primaten emotionalen oder territorialen Statusverlust als Bedrohung.
Jedes Alphamännchen kann den ganzen Primatenstamm hinter sich bringen, wenn es ihn überzeugt, dass es ein anderes Alphamännchen auf ihr Territorium abgesehen hat. Ist es gelungen, diesen »patriotischen« Schaltkreis anzuklicken und auch noch genügend Bio-Überlebensangst zu produzieren, handelt der Stamm nach Gedankensystemen, die einer rationalen Analyse keine fünf Minuten standhalten. Zwar werden die Anthropologen nicht müde, die vor etwa 11.000 Jahren entstandenen ersten Siedlungen der domestizierten Primaten als zivilisatorische Großleistung zu rühmen, schließlich hatten die einzelnen Alphamännchen noch kurz zuvor ihr Territorium mit Exkrementen abgesteckt und Eindringlinge mit diesen Grenzmarkierungen beworfen.
Doch wie wenig sich im Kern geändert hat, lässt sich an bestimmten Redewendungen ablesen. So ziehen bis heute die domestizierten Primaten in den Krieg, um ihren Gegnern «die Scheiße aus dem Leib zu prügeln«. Ist die Operation erfolgreich (oder zeigt der Gegner »Schiss« und unterwirft sich freiwillig), wird das Territorium neu abgesteckt.
Auch wenn der Prozess der Zivilisation Technologien hervorbrachte, die die Kacke von einst durch Megatonnen-Bomben ersetzten, die grundlegende Struktur ist dieselbe geblieben. »Für Saddam, in Liebe« signierte der damalige Verteidigungsminister Dick Cheney (im ersten Golfkrieg) eine über dem Irak abgeworfene Bombe. Er konnte nicht einfach »du dreckiger Scheißer« drauf schreiben, ohne seinen Job zu gefährden, sondern musste sich damit begnügen, seinem Bömbchen (frz. pétard, engl. fart, dtsch. »Furz«) eine ironische Duftmarke anzuheften: »in Liebe«. Diese Kulturleistung immerhin haben 50.000 Jahre Primatenevolution erbracht. Wäre da nicht die gesteigerte Tötungseffizienz der Mittel, man könnte fast von »Fortschritt« sprechen.
Wo geht es zu den höheren Schaltkreisen?
Mit der steigenden Zahl und Heterogenität der Bewohner gerät der Landgewinn starker Primatenbanden irgendwann an den kritischen Punkt, an dem Hierarchie und Hackordnung zu zerfasern drohen, Stabilität im Inneren lässt sich nur aufrecht erhalten über einen äußeren Feind, gegen den sich alle zusammenschließen müssen, weil er angeblich allen ans Eingemachte will. An dieser Stelle im Häufchen-Spiel humanoider Organisationsentwicklung nun schlägt die Stunde der »Nation«, des Primaten als Patrioten, der gegen eine angebliche Übermacht (die als »Barbaren«, »Hunnen«, »Achse des Bösen« etc. dämonisiert wird) seine Sicherheitszone auf das gesamte Territorium ausdehnt. \ Nicht das Bedürfnis nach Handel, Wandel und Kommunikation liegt dem Entstehen von Nationen zugrunde, sondern Paranoia. Wenn sie nur ausreichend Angst schüren, gelingt es den Primatenführern im Handumdrehen, im gesamten Stamm die Bereitschaft zu mobilisieren, für abstrakte Symbole (sprachliche Begriffe wie »Nation«, »Vaterland«, »Heimat« oder farbliche Zeichen wie Fahnen, Wimpel, Uniformen) in den Krieg zu ziehen.
Wie wenig 250 Jahre Aufklärung, Rationalismus, Moderne an der archaischen Dumpfheit dieses »Patridiotismus« bis dato ändern konnten, zeigen die jüngsten Kriege der Großmächte USA und Russland ebenso wie all die kleineren Gemetzel, die sich aufgehetzte Primatenhorden überall auf der Welt liefern. Dass die höheren Schaltkreise des Primatenhirns in ihrer kurzen Geschichte wunderbare Erfindungen hervorgebracht haben und zu großartigen Leistungen fähig sind, kann niemand bestreiten; solange aber die Saurierabteilung ihres Gehirns jederzeit den ganzen Laden übernehmen kann, solange muss sich „Homo stultus“ auf diesem Planeten der Affen wohl weiter gegenseitig die Scheiße aus dem Leib prügeln ...
Mathias Bröckers, Jahrgang 1954, ist Autor und freier Journalist. Er gehörte zur Gründergeneration der taz, war dort bis 1991 Kultur- und Wissenschaftsredakteur und veröffentlichte seit 1980 rund 600 Beiträge für verschiedene Tageszeitungen, Wochen- und Monatszeitschriften, vor allem in den Bereichen Kultur, Wissenschaft und Politik. Neben seiner weiteren Tätigkeit als Rundfunkautor veröffentlichte Mathias Bröckers zahlreiche Bücher. Besonders bekannt wurden seine internationalen Bestseller „Die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf“ (1993), „Verschwörungen, Verschwörungstheorien und die Geheimnisse des 11.9.“ (2002) und „Wir sind immer die Guten – Ansichten eines Putinverstehers“ (2016, mit Paul Schreyer) sowie "Mythos 9/11 - Die Bilanz eines Jahrhundertverbrechens" (2021). Mathias Bröckers lebt in Berlin und Zürich und bloggt auf broeckers.com.
Sein aktuelles Buch "Inspiration, Konspiration, Evolution – Gesammelte Essays und Berichte aus dem Überall" – hier im Handel
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