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@ Die Friedenstaube
2025-03-24 10:50:16Autor: René Boyke, Rechtsanwalt. Dieser Beitrag wurde mit dem Pareto-Client geschrieben. Sie finden alle Texte der Friedenstaube und weitere Texte zum Thema Frieden hier.
Frieden. Ein Begriff den jeder kennt, oder? Kennen schon. Aber was bedeutet er? Die Abwesenheit von Gewalt und Konflikten? Ja, auch, wenn man Frieden seinem Widerpart, dem Krieg, gegenüberstellt. Demnach müsste immer dann Frieden herrschen, wenn es keinen Krieg gibt. So richtig überzeugt das nicht, denn Frieden entsteht nicht aus heiterem Himmel. Er erfordert Verhandlungen, Toleranz und ganz allgemein die Förderung von Gerechtigkeit. Doch was verstehen wir unter Gerechtigkeit? Was unter Toleranz? Und wann verhandeln wir wirklich und ehrlich?
Das Grundgesetz als Friedensauftrag
Der Begriff des Friedens ist also unscharf und von weiteren unscharfen Begriffen abhängig. Und doch ist er Gegenstand des Recht z.B. des Grundgesetzes (GG):
- Nach der Präambel des GG verpflichtet sich das Deutsche Volk „dem Frieden der Welt zu dienen.“
- In Art. 1 Abs. 2 GG bekennt sich das Deutsche Volk zu den Menschenrechten als Grundlage des Friedens in der Welt.
- Art. 26 Abs. 1 GG verbietet Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, „das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören.“
Der Frieden ist also unzweifelhaft Gegenstand des deutschen Rechts – und natürlich auch des Völkerrechts. Bereits in Art. 1 Ziff. 1 der VN-Charta ist zu lesen, dass ein gesetztes Ziel der Vereinten Nationen die Wahrung des Weltfriedens ist und dass sie „Bedrohungen des Friedens verhüten und beseitigen“ will. Es ist also festzustellen: Der Begriff des Friedens ist unscharf und damit unklar, aber dennoch ist er Teil des deutschen Rechts und auch des internationalen Völkerrechts. Bei dieser Sachlage ist Streit vorprogrammiert. Wenn nicht klar ist, was Frieden eigentlich ist, aber von seinem Vorliegen oder seiner Abwesenheit rechtliche Konsequenzen abhängen, dann wird dies selbst zu Auseinandersetzungen führen.
So meinen die einen, einen anderen Staat präventiv mit Waffengewalt anzugreifen, fördere den „Frieden“ – wir erinnern uns an den Präventivschlag der USA gegen den Irak 2003. Andere sehen darin nichts anderes als einen rechtswidrigen Angriffskrieg. Rechtliche Konsequenzen hatte dieser Angriffskrieg für die USA nicht. Blicken wir auf die Bewertung des Ukrainekriegs im Jahr 2022, der seitens 1/3 Russlands ebenfalls einen Präventivkrieg darstellt, ist festzustellen, dass es auch hier wieder geteilte Lager gibt.
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Die einen sehen das Verhaltens Russland als gerechtfertigt an, die anderen als völkerrechtswidrig. Interessanterweise halten viele, die den Angriffs der USA auf den Irak für gerechtfertigt hielten, den Angriff Russlands auf die Ukraine nicht für gerechtfertigt. Wie kann das sein? Werden hier unterschiedliche Kriterien angelegt? Warum gefährdet der Angriff der USA – die im Übrigen die Gründe für die Bedrohung des Iraks nachweislich erfunden und damit gelogen haben – angeblich nicht den Frieden, obwohl es ja nachweislich zum Krieg kam? Und warum soll das Verhalten Russlands den Frieden gefährden? Erscheint diese unterschiedliche Bewertung nicht völlig willkürlich?
Welche Begriffe für Frieden werden hier zugrunde gelegt? Der 2019 verstorbene ehemalige Richter am Bundesverwaltungsvewaltungsgericht, Dr. Dieter Deiseroth, hat in einem Aufsatz 2010 dargelegt, dass völlig unklar ist, was unter dem Begriff des Friedens zu verstehen ist. Deiseroth schrieb: „Für die Kompetenzen des UN-Sicherheitsrates ist damit der Friedensbegriff von\ entscheidender Bedeutung. Er ist in der UN-Charta nicht definiert. Das macht\ Probleme.“ Und: „Je weiter der Friedensbegriff ausgelegt wird, umso weiter gehen\ die Kompetenzen des UN-Sicherheitsrates (...).“
Ein Definitionsvakuum und ein Auftrag
Umfasst Frieden im rechtlichen Kontext lediglich die Abwesenheit zwischenstaatlicher bewaffneter Konflikte? Was ist mit Piraterie? Was mit Terrorakten? Raubbau an der Natur? Wer Frieden nicht definieren kann, der kann auch nicht sagen, wann er bedroht ist. Wenn man etwas bewahren will, dann sollte man doch wissen, was dieses Etwas ist, was man zu bewahren vorgibt, oder? Weiß man dies nicht, lässt sich selbst ein Angriff auf ein anderes Land als friedenssichernde Maßnahme verkaufen, während der Angriff eines anderen Landes plötzlich als rechtswidriger Friedensbruch gilt.
Der Willkür ist Tür und Tor geöffnet. Dann bestimmt der Stärkere bzw. dessen Propaganda, was Recht ist und was Unrecht. Das jedoch hat mit Recht nichts zu tun, bzw. sollte mit Recht nichts zu tun haben, denn es gehört leider auch zur Realität des Rechts, dass es der absolute Regelfall ist, dass der Stärkere seine einzelfallbezogene Definitionshoheit und damit sein „Recht“ durchsetzt und der Schwächere – mag er noch so gute Argumente haben – den Kürzeren zieht.
Doch diesem Sein folgt denklogisch kein Sollen. Dieser systemische Rechtsmissbrauch ist kein Argument dafür, diesen Zustand beizubehalten und ihn nicht anzuprangern. Er ist vielmehr Argument dafür, diesen Zustand offenzulegen, zu kritisieren und auf seine Beseitigung hinzuwirken.
Wie kann Frieden nun also definiert werden? So definiert, dass eben nicht eine Autorität seine eigene Definitionsmacht missbraucht? Meines Erachtens geht dies nur im gegenseitigen ehrlichen Austausch der Parteien. Der Frieden ist kein allgemein definierbarer Zustand, schon gar nicht ist er ein losgelöst von anderen Lebensbereichen existierender normativer Begriff. Die rechtliche Dimension des Friedensbegriffs kann nicht für sich allein stehen, sondern ist in eine Lebenswirklichkeit eingebettet, die bei jedem einzelnen in sich selbst als innerer Frieden beginnt – dieser Ursprung ist auch der Ursprung der rechtlichen Dimension des Friedensbegriffs.
Oder anders formuliert: Ohne inneren Frieden kein äußerer Frieden.
René Boyke ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Asylrecht. Er hat sieben Jahre im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gearbeitet und betreibt die Seite covid-justiz.de auf der er Gerichtsentscheidungen aus der Coronazeit kommentiert.
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