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@ Kaydee
2025-06-12 17:44:54Vor ein paar Tagen stieß ich auf einen faszinierenden Artikel von Michel Bauwens, Mitbegründer der P2PFoundation, mit Links zu weiteren Texten (zum Beispiel über den Puls der Commons), die ich ebenfalls äußerst interessant fand.
Der Artikel zeigt unter anderem, wie unterschiedlich Commons aussehen können, so dass ich ihn heute als Ausgangspunkt nehmen möchte, um ein paar Puzzle-Steine in mein entstehendes Bild der Commons einzufügen.
Das Grundmuster menschlichen Zusammenlebens?
Bauwens betrachtet die Commons aus historischer Sicht, wie sie sich in verschiedenen Zeiten unterschiedlich manifestieren, manchmal gar nahezu verschwinden und heute in wiederum veränderter Form neu entstehen – und plädiert dafür, dass sie noch weit stärker werden sollten.
Er legt zunächst dar, was die Commons sind und was nicht. (zum Beispiel nichts, was vom Staat verwaltet wird, wie ein öffentlicher Park.) Ausschlaggebend ist, dass eine Ressource von ihren Herstellern oder Benutzern selbst betreut wird. Commons entstehen dabei durch Beziehungen. Sie sind etwas spezifisch Menschliches und eine Wahl, die „fast immer“ zur Verfügung steht, so Bauwens. Eine die Geschichte überdauernde menschliche Praxis.
Er nennt drei verschiedene geschichtlichen Entwicklungen:
- Eine lineare - Wie präsentiert sich der Commons über verschiedene, komplexer werdende, Phasen der Menschheitsgeschichte hinweg?
- Eine hin und her schwingendende: In der Geschichte einer Zivilisation werden die Commons in Zeiten von Überfluss -- und daraus resultierender Verschwendung uns steigender Ressourcen-Extraktion -- unterdrückt, konstitutieren sich aber dann als Gegenbewegung wieder neu.
- Eine stufenweise: Die heutigen, mit neuen Möglichkeiten ausgestatteten Formen der Commons könnten in der nächsten Phase unserer Zivilisation (oder nach unserer Zivilisation) eine entscheidende Rolle spielen.
Wenn man verschiedene Arten des Austausches betrachtet (Bauwens beruft sich hierbei auf Alan Fiske), kann man geschichtlich analysieren, welche zu verschiedenen Zeiten vorrangig waren (dies tat Kojin Karatani in The Structure of World History von 2014).
Die vier Muster sind:
- Gemeinschaftliche Beteiligung, Commons (die Gemeinschaft baut mir ein Haus, und ich helfe später bei einem anderen Hausbau mit; ein Beispiel aus neuerer Zeit ist die Entwicklung von Linux)
- Wechselseitiger Austausch (Geschenkökonomie – es wird eine etwa gleichwertige Leistung zu einem späteren Zeitpunkt erwartet)
- Hierarchisch bedingte Verteilung, wie im Feudalismus
- Marktwirtschaft (es gibt ein allgemeines Zahlungsmittel mit einem bestimmten Wert)
Bauwens: „Entscheidend ist jedoch, dass die Menschheit ständig bestrebt ist, Modus A wiederherzustellen, denn die Menschen haben eine kulturelle und wahrscheinlich auch allgemeine Vorliebe für ein geselliges Leben in kleinen, vertrauten Gruppen. Aber menschliche Gruppen versuchen, dies auch auf höheren Komplexitätsebenen zu tun, in einem ständigen Versuch, die extraktive Logik der Zivilisation zu mäßigen.“ (Katarani bezeichnet eine Verbindung von Commoning und Geschenkökonomie in stammesorientierten Kulturen als Modus A)
Commons durch die Zeiten
In der ursprünglichsten Form der Commons in Jäger- und Sammler-Gemeinschaften, werden Nahrung und sonstige Ressourcen mit der ganzen Gemeinschaft geteilt - dies ist zumindest die vorherrschende Form des Austauschs.
Im Zuge der Agrar-Revolution geht es um das gemeinsame Bewirtschaften von Flächen.
Im Mittelalter entwickelt sich in Europa das Feudalsystem. Auch hier werden manche Felder aber noch von den Dorfbewohnern gemeinsam verwaltet.
Ab dem 16. Jahrhundert fanden, am stärksten in England, die Enclosures (auf deutsch Einhegungen) statt. Das heißt, dass Felder zur effizienteren Bewirtschaftung von den Besitzern zusammengelegt und umzäunt wurden.
Besonders im 19. Jahrhundert, mit dem Aufkommen der Industrialisierung, nahm diese Entwicklung immer stärker zu. Die landwirtschaftlichen Commons wurden dadurch weitgehend zerstört.
Im industriellen Kapitalismus, als die Arbeiter kaum Rechte hatten, und es auch um das bloße Überleben ging, entwickelte sich ein sozialer Commons Dieser bestand darin, dass sich die Arbeiter gegenseitig halfen und sich gegenseitig versicherten. Aus dieser Bewegung entstand dann der Sozialstaat. Der Staat übernahm also Aufgaben, die die Menschen zuvor füreinander geleistet hatten.
Man könnte daher sagen, dass im Kapitalismus die natürlichen Commons-Ressourcen privatisiert und die sozialen Commons verstaatlicht wurden.
In der Moderne waren sich viele Menschen der Bedeutung von Commons gar nicht mehr bewusst.
Mit dem Internet, dem World Wide Web und weiteren digitalen Techniken erschlossen sich dann neue Möglichkeiten. Mit Peer Production, Open Source Software, sowie den Creative Commons Lizenzen, enstand eine neue Inkarnation der Commons. Und damit ist die Entwicklung noch nicht abgeschlossen...
Warum Commons nicht in ein Links-Rechts-Schema passen
Mit seinem Streifzug durch die Geschichte zeigt Bauwens, wie vielfältig die Commons sein können, und warum ihnen in der heutigen Zeit eine starke Rolle zukommen sollte. Nebenbei ergibt sich für mich auch, dass sie jenseits von linker oder rechter Ideologie liegen. Hierzu eine kurze Zwischenbetrachtung von mir:
Weil es um kollektives Handeln geht, und auch wegen des Namens („hört sich an wie Kommunismus“, meinte meine Mutter), entsteht leicht der Eindruck, es handele sich um ein besonders linksgerichtetes Phänomen.
Eine gut eingespielte Fußballmannschaft agiert auch als Kollektiv. Der Verein verwaltet vielleicht ein Clubhaus. Wohl kaum jemand würde deswegen den Verein als links bezeichnen.
Freilich sind die Mitglieder heutiger Commons-Bewegungen vorwiegend „progressiv“, zuweilen auf eine rigide Weise. Bauwens hat damit schon eine leidvolle Erfahrung gemacht. Aber Commons als soziales System sind es nicht. Dafür spricht allein schon die Tatsache, dass es sie viel länger gibt als die politische Links-Rechts-Einteilung.
Eine starke Rolle für die Commons
Wie steht es um die Commons heute? Das werde ich in weiteren Artikeln noch versuchen zu beleuchten...
Michel Bauwens hat in seinen Artikeln noch Einiges dazu sagen. Inbesondere beführwortet er das Kosmo-Lokale (Cosmo-Local). Was leicht ist (Wissen) wird geteilt, was Gewicht hat (etwa landwirtschaftliche und andere Produktion), wird an lokale Gegebenheiten angepasst und vor Ort bewerkstelligt.
Und das Zusammenspiel von Digitalem und Materiellem verspricht weitere Möglichkeiten.
In jedem Fall haben die Commons eine ausgleichende, regenerierende Kraft, die wir aufgrund der heutigen vielen Kriesen gar nicht ungenützt lassen können, ganz unabhängig von unserer sozialer Ebene - das gilt auch für die Superreichen.