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@ Genexyz
2024-12-01 14:32:29
### On-Chain Analytics
Unter On-Chain Analytics versteht man die Analyse von Daten, die auf jeder beliebigen Blockchain vorhanden sind. Diese Daten sind auf der Chain, also on-chain und somit für jedermann jederzeit und von überall abrufbar. Genauer bieten Blockchains Daten über Adressen, Transaktionen und in gewisser Weise auch über Wallets. Diese Informationen können verwertet werden, um verschiedene Sachverhalte darzustellen. Es gibt unzählige Anwendungsbeispiele, aber nur um eine Handvoll einfacher Anwendungen zu nennen, können Transaktionsvolumen, Preisbewegungen, Verhalten großer Wallets (Whales) oder die Anzahl ruhender oder sich bewegender bitcoins nachvollzogen werden.
Metriken, sind Beispiele dafür, wie z.B. Hashrate, Hashpreis, Realized Price, Mempool, diese Anwendung von Datenanalyse durch Information, die die Blockchain automatisch zur Verfügung stellt, nutzbar macht. Diese vermutliche Transparenz führt dazu, dass in der Theorie jede Bewegung nachverfolgt werden kann, die im digitalen Raum eine direkte Verknüpfung zum realen Raum (also dem sogenannten Meat-Space oder dem "echten Leben”) hat, an dem man ansetzen kann. Ein ganz einfaches Beispiel: Wenn ich eine bestimmt Menge Bitcoin bei einer Börse erwerbe, bei der ich mich zuvor ausweisen musste, um die Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, und mir anschließend diese erworbene Menge Bitcoin auf meine Wallet überweise, um sie in Selbstverwahrung zu halten, ist es gewissen Teilnehmern möglich, meine Wallet zu identifizieren, bzw. mir zuzuordnen. Die Börse, und damit im Zweifelsfall auch ein Gericht oder ein Staat, kennen die Bitcoin-Adresse, die sie meinen Ausweisdaten zuordnen können. Die Transaktion und die damit verbundenen UTXOs sind damit auch mir zuschreibbar und die Wahrscheinlichkeit, dass ich Eigentümer der Zieladresse bin, ist auch sehr hoch. Vor allem, wenn ich öfter Transaktionen von der Börsen-Adresse zu der gleichen Zieladresse ausführe. Dieses Verfahren wird auch Heuristik genannt und bedient sich wahrscheinlicher Annahmen, also z.B. wiederkehrender Muster.
![](https://blossom.primal.net/5363b25d892542493e7f0d65b84a81b90b33ff95b464e9f63817bcdf005fd4a5.gif)Diese Methode machen sich große Blockchain-Analyse Firmen zu eigen, deren Geschäftsmodell vorsieht, ihren Kunden Dienstleistungen dieser Art zu verkaufen. Services wie Adressen-Screening, Transaktions-Monitoring oder Business Intelligence Tools sollen Blockchain- und Finanzunternehmen, aber auch Regierungseinheiten das Analysieren von Daten auf der Blockchain erleichtern. Bis heute behaupten viele, die Blockchain sei anonym, dabei ist sie bestenfalls pseudonym. Denn natürlich kann man in keinem Block Explorer nach einem im Ausweis geführten Klarnamen suchen; doch wenn einmal die Verbindung zu einer Adresse hergestellt ist, kann man z.B. nach einer Adresse suchen und alle Transaktionen sowohl zu, als auch von dieser Adresse nachvollziehen. Manche Anbieter gehen bei ihren Dienstleistungen dann so weit, dass sie bekannte Adressen labeln und zusammenführen, um damit ein Abbild des gesamten Handels oder Vermögens darzustellen. So assoziiert beispielsweise der Anbieter Nansen verschiedene Adressen mit den Börsen Huobi und Crypto.com:
![](https://blossom.primal.net/1ddfd5f2b9548392904aa18c7bf253ed4b8e330e11f149f7af951047866aef1b.png)Huobi
![](https://blossom.primal.net/1c6aa6088223c409549af2af2364f1b78885353c0b54ec128055e2be993237f0.png)Crypto.com
Was sehr gut ersichtlich wird, sind die Vermögenswerte, die sich in den angegebenen Wallets befinden, und auch werden Verhältnisse grafisch gut aufbereitet, sodass auch ein Laie schnell erkennen kann, dass in diesem Beispiel 20% des Gesamtbestands an Vermögenswerten bei Crypto.com aus Shiba Inu Coins besteht (!!!) - was mir bei einem Gesamtvermögen von 2,3 Milliarden US Dollar nur ein ganz kleines bisschen fragwürdig erscheint!
Und das genau ist das große Problem. Denn was On-Chain-Analyse ermöglicht, ist ein Einblick in das Guthaben verschiedener Wallets. Bleiben wir bei unserem Beispiel Crypto.com: Anhand von Nansens Analyse-Tool können wir schnell sehen, dass die mit Crypto.com assoziierten Adressen knapp unter einem Drittel (gemessen am Gesamtvermögen) an Bitcoin halten, ein gutes Fünftel besteht aus japanischen Hunde-Tokens und knapp ein Viertel aus Stablecoins in Form von Circle-Jerks und Feathers. Cool, konzentrieren wir uns also auf Bitcoin:
![](https://blossom.primal.net/837a4335f9aec996d84de1fb22b75c8c795c71f6d680732a2b2790fa4014a00b.png)Crypto.com
Crypto.com halten (Stand heute) also knapp 46.000 bitcoins in ihren Wallets, bei heutigem Kurs ca. 784 M US Dollar wert. Das sind immerhin 45.999 bitcoins mehr, als FTX in ihren Wallets hatten. Doch sagt uns dies nichts darüber, ob a) dies auch der Menge an bitcoins entspricht, die Nutzer glauben auf Crypto.com eingelagert zu haben (Paper-Bitcoin Problem), oder ob b) diese Anzahl an bitcoins auch komplett unbelastet in einem sicher verwahrten Cold-Storage liegt und nicht als Sicherheit für einen anderen Kredit genutzt wird, oder schlichtweg verliehen wurde (nur weil eine Adresse mit Crypto.com assoziiert wird, heißt es nicht unbedingt, dass nicht auch Dritte Zugriff auf die privaten Schlüssel haben - weil z.B. verliehen, veruntreut, verbummelt).
<img src="https://blossom.primal.net/1cd81fbf24c1d4c5ffdd8703e39f51dfde68dd49b8fba89623b4021969dbd073.gif">
Das allergrößte Problem allerdings besteht in der einseitigen Betrachtung der ganzen Angelegenheit - dazu mehr, wenn wir uns PoR anschauen - denn alles, was wir hier sehen, sind die "Vermögenswerte" bzw. Assets, die in den jeweiligen Wallets liegen. Wir bekommen gar keine Auskunft über die Verbindlichkeiten, die diesen Vermögenswerten gegenüberstehen. Viel schlimmer noch: Wir können uns nicht einmal wirklich sicher sein, dass es sich um tatsächliche Vermögenswerte handelt, da diese ja unter Umständen schon verliehen oder als Sicherheit anderweitig verwendet worden sind. Schließlich bekommen wir ja gar keine Auskunft darüber, was Krypto-Unternehmen-XYZ mit seinen Vermögenswerten anstellt. Es gibt keine Regeln, Gesetze oder anderweitige EInschränkungen, die besagen, dass ein Unternehmen, das teilweise oder sogar nur in minimaler Form Vermögenswerte in Bitcoin oder 💩hält, auch automatisch alle anderen Transaktionen auf einer oder allen Blockchains veröffentlichen muss. Dementsprechend bekommt man vorallem bei hybriden Unternehmen, die irgendwo den Spagat zwischen "Blockchain/ Crypto" und TradFi machen, aber auch bei Blockchain-only fokussierten Unternehmen, ein Gefühl, dass man Transparenz erlangt, wobei dies eigentlich überhaupt nicht der Fall ist.
https://x.com/DylanLeClair\_/status/1594072133147181056
Eine der großen Fragen im Zusammenhang mit dem Mt.Ftx Fiasko ist, warum z.B. große Chain-Analytics Anbieter, wie Chainalysis (kann nur ich so viele Vokale am Stück nicht vernünftig aussprechen?) den großen Schwindel nicht früher erkannt haben. Warum haben diese Firmen nicht früher versucht, ähnlich wie in unserem Beispiel von Crypto.com, Adressen zuzuordnen, um damit festzustellen, dass alleine anhand der Vermögenswerte (zu wenig Bitcoin, zu viel FTT, MAPS, SRM, etc.) irgendetwas am Geschäftsmodell von Alameda/ FTX nicht ganz sauber war?
<img src="https://blossom.primal.net/67902b9fda405178ca83d7ccacfb2ec2d4d785a9e6ebfde23a2922ea327e8e54.gif">
Das Problem ist und bleibt die Heuristik. Man kann nie mit 100%iger Genauigkeit sagen, dass man alle Adressen einem Nutzer, Besitzer, oder Unternehmen komplett und lückenlos zugeordnet hat. Besonders bei vermeintlich großen und vermeintlich ausgeklügelten, der großen Masse voraus schwimmenden, cutting-edge Unternehmen - wie FTX - , ist die Annahme automatisch, dass diese über bessere Privatisierungs- und Sicherheitsmethoden verfügen, als der normale Bitcoin- und/oder Kryptonutzer. Wenn diese Firmen auch noch privat sind, und die einzigen Personen mit Einblick in Pitch-Decks oder vorgebliche Geschäftsberichte, diese aus wettbewerblichen Gründen nicht öffentlich machen, bleibt eben nur das Grundvertrauen, das durch Werbung, durch die vermeintliche Größe des Unternehmens (sprich Aufmacher in Forbes oder Fortune, Super-Bowl-Werbungen mit Tom Brady, etc.), oder durch Shilling (also das Bewerben durch "Bitcoin-Maxis" in Newslettern oder Podcasts, etc.) vermittelt wird, um einem das Gefühl zu geben, dass es mit rechten Dingen zugehen MUSS, wenn so ein riesiges und beliebtes Unternehmen gewisse Behauptungen von sich gibt.
https://www.theblock.co/post/189676/how-much-bitcoin-does-el-salvador-have-good-luck-getting-an-answer
Ganz ähnlich verhält es sich wohl auch bei El Salvador. Genausowenig, wie andere Staaten ihre Kontoauszüge veröffentlichen und jeder interessierten Schnüffelnase Zugang zum Allerheiligsten gewähren, muss man sich auch bei El Salvador auf das Wort des Souveräns verlassen und davon ausgehen, dass die Angaben, sowohl über den aktuellen Stand des gehaltenenen Bitcoin-Vermögens (oder im regulären Fall, der Einnahmen gegenüber der Ausgaben), als auch über die tatsächliche Umsetzung der Ankündigung, jeden Tag einen bitcoin zu erwerben, einer Prüfung standhalten würden.
https://x.com/DylanLeClair\_/status/1596345377154007041
Letzten Endes kann man sagen, dass On-Chain-Analyse natürlich viele Vorteile hat. Gegenüber traditionellen Anlageklassen bringt die Information, bzw. die Möglichkeit der Echtzeit-Datenerhebung ganz, ganz viele Vorteile mit sich. Ein Markt, der 24/7/365 gehandelt werden kann, braucht natürlich Vergleichsdaten in Echtzeit. Allerdings wahrt diese vermeintliche Transparenz in Daten, Verhaltensmustern, Sentiments und Patterns nicht davor, dass die nach außen kommunizierten und vor allem AUF der Blockchain verfestigten Informationen, nicht auch ein nicht veröffentlichtes und nicht auf der Blockchain verankertes Gegengewicht (z.B. in der Form von Sicherheiten) birgen.
https://x.com/BitcoinMagazine/status/1597208278093955072
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Am Ende bleibt auf jeden Fall zu sagen, dass eine der momentan am wichtigsten zu verfolgenden Metriken, die der Bewegung von bitcoins auf bzw. von Börsen ist. Alleine in den letzten 2 Wochen wurden über 200.000 bitcoins von Börsen genommen. Das bedeutet nicht, dass diese verkauft wurden, sondern, dass diese tatsächlich aus Börsen-assoziierten Adressen in private Adressen verschoben wurden. Der Einzelhandel und kleine Wallets, die Bitcoin in ihren Cold-Storage verlagern, ist die Verkörperung des Bitcoin-Ethos. Dies bestäkrt eigentlich nur, was ich eigentlich diese Woche sagen wollte: Die einzig wirklich sichere und bedeutsame Form von Chain-Analysis ist die der Eingabe der eigenen Keys zur Überprüfung, dass bei der Selbesverwahrung alles im Reinen ist (Analogie zu früher: Kontoauszug ziehen, bzw. PIN überprüfen).
🫳🎤
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In diesem Sinne, 2... 1... Risiko!
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