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@ Peter
2025-02-17 08:45:15
Wenn in den 1960er Jahren in meiner Heimatstadt Leipzig die Lobeshymne der Staatspartei der DDR (SED) mit dem Refrain „DIE PARTEI, DIE PARTEI, DIE HAT IMMER RECHT“ ertönte, schauten wir kleinen Steppkes meiner Generation uns schmunzelnd in die Augen und tippten uns an die Stirn – überzeugt vom Widersinn dieser Worte.
Wir hatten schon von Galilei und Kolumbus gehört und wussten so, dass andersdenkende Menschen gelegentlich recht haben können gegenüber der Meute der gerade Herrschenden und deren Lakaien. Menschen können sich irren, auch wenn sie sich zu Gruppen oder Parteien zusammenschließen. Und selbst wenn diese Gruppen sehr groß sind, können sie irren. Von Menschenmassen, die den totalen Krieg wollten und ihn auch bekamen, hatten wir auch schon gehört. Von unseren Eltern, die in diesem Krieg aufgewachsen sind.
Und bereits als Kinder wussten wir, dass viele Genossen der SED Mitläufer waren, welche sich als Lakaien der gerade herrschenden Klasse Vorteile für ihr Leben in der Mangelwirtschaft der DDR versprachen. Das wussten wir aus Gesprächen mit den Älteren in unseren Familien, für die diese Verlogenheit ein existentiell bedeutsames Alltagsthema war. Genosse der SED zu sein, bedeutete bessere Berufs- Arbeitsplatz- und Karrierechancen zu haben, sogar nach Westeuropa durften einige von denen fahren, was dem Rest der Ostdeutschen strikt verwehrt war. 
Wer das Lied der Herrschenden nicht mitsang, war benachteiligt. Das war eine ostdeutsche Binsenweisheit. Wer es gar wagte, offen Kritik zu üben, musste mit Verfolgung, Ausweisung, Haft oder Peinigungen in Stasi-Gefängnissen rechnen. Das fühlte sich nicht gut an...
Wie die DDR Geschichte 1989 endete, ist bekannt. Das Grundgesetz der BRD, das von nun an auch für uns galt, machte Hoffnung mit seinem Artikel 5: *„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“*
Heute steuern allerdings einige deutsche Parteien einen ähnlichen Kurs wie die Staatspartei der DDR. Nicht mehr so platt wie die SED. Man sagt nicht einfach: Wir sind die, die immer recht haben. Nein, so deutlich wird man nicht. Doch was man aktuell in den Wahlprogrammen mehrerer etablierter Parteien im Bundestag nachlesen kann (s.u.), läuft auf das Gleiche hinaus. Der Taschenspielertrick zur intendierten Aushebelung der Meinungsfreiheit ist das Wort „Desinformation“, womit stillschweigend alle Meinungen zusammengefasst werden, welche nicht mit dem gängigen Regierungsnarrativ zur Erklärung der Welt zusammenpassen.
Auf einer [Webseite der Bundesregierung](https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/was-ist-desinformation-1875148) wird das so illustriert: *„In der jüngeren Vergangenheit gab es gezielte* *[Desinformationskampagnen aus dem Ausland](https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/desinformation-interview-ead-2010706)* (hier wird Präsident Putin der Lüge bezüglich des Ukraine-Krieges bezichtigt, Anmerkung des Autors). *Aber auch während der Corona-Pandemie verbreiteten rechtsextreme Gruppen Verschwörungsmythen. Von diesen Desinformationen geht eine Gefahr aus. Weil sie uns als Gesellschaft spalten sollen. Sie verfolgen das Ziel, Schaden anzurichten. Existierende Konflikte und Debatten sollen verschärft, das Vertrauen in staatliche Institutionen untergraben und insgesamt Wut und Emotionen geschürt werden.“*
Wenn wir das Wort „Desinformation“ einmal weglassen, bleibt als Klartext übrig: Die Bundesregierung hat eine Meinung. Zum Beispiel zum Ukrainekrieg oder zu den Corona-Geschehnissen. Und die wird als richtig gesetzt. Meinungen, die nicht damit übereinstimmen, werden als nicht richtig betrachtet und mit Worten, die gern mal unter die Gürtellinie zielen, gebrandmarkt. 
(Dem aktuellen Stand der Aufarbeitung der Ereignisse seit 2020 will ich hier nicht nachgehen; wer von den geschwärzten RKI Protokollen Kenntnis hat, ist ausreichend im Bilde über diese Geschehnisse; zum Krieg in der Ukraine gibt es durchaus unterschiedliche Sichtweisen, die im Raum stehen, s. [meine Korrespondenz mit den deutschen Parlamentariern](https://pareto.space/a/naddr1qqxnzdenxcenyvp5xycrgdpnqgsv8v5q90gxrc82r3nsvp8c0t2d02utfplsrn95zu3yhtkmfpg9n8qrqsqqqa28yz3r25) dazu. In zivilisierten demokratischen Nationen wird über solche Fragen öffentlich diskutiert.)
Und nicht genug mit dieser Neuversion von „Die Partei, die Partei, die hat immer recht“. In den Parteiprogrammen einiger deutscher Parteien plant man aktuell einen Kampf gegen Desinformation, ja man will gar Menschen mit anderen Auffassungen strafrechtlich verfolgen.
„*Der Kampf gegen Desinformation ist angesichts des schon heute immensen Ausmaßes eine herausragende gesellschaftliche Aufgabe.“*
„*Die großen Medienplattformen werden wir in die Pflicht nehmen, wirksame Maßnahmen gegen die Verbreitung von Desinformation vorzunehmen. Die systematische Verbreitung von Desinformation im Auftrag eines fremden Staates wollen wir strafrechtlich fassen.“*
„*Wir stellen sicher, dass bei der Umsetzung des Digital Services Act der Schwerpunkt auf mehr Transparenz, Kampf gegen Desinformation sowie Jugend- und Medienschutz gelegt wird.“*
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Hören Sie hinter der Kampf-Rhetorik Säbel rasseln? Dass man sich dabei in Konflikt mit dem § 5 des Grundgesetzes begibt, wird im Durcheinander dieser Wochen im Februar 2025 geflissentlich übersehen.
Fazit: Einige politische Parteien im Land maßen sich an, nach Gutsherrenart zwischen richtiger Information und „Desinformation“ zu unterscheiden. Sie trachten danach, missliebige Meinungen zu bekämpfen - und missachten dabei unser Grundgesetz. 
Wollen Sie als Souverän solchen Parteien die Macht im Land überlassen? Schauen Sie doch mal in die aktuellen Wahlprogramme der im Bundestag vertretenen Parteien zu diesem Thema und zu weiteren existentiellen Fragen unserer Zukunft (Frieden, Bargeld, Volksabstimmungen, Position zur WHO) [welche Akteure der Gemeinwohllobby zusammengestellt haben](https://gemeinwohl-lobby.de/wp-content/uploads/2025/02/vergleich-parteien.pdf) und die [hier](https://pareto.space/a/naddr1qqxnzden8yervvp58qcr2wf5qgsv8v5q90gxrc82r3nsvp8c0t2d02utfplsrn95zu3yhtkmfpg9n8qrqsqqqa28qyxhwumn8ghj7mn0wvhxcmmvqythwumn8ghj7urpwfjhgmewdehhxarjxyhxxmmdqyt8wumn8ghj7un9d3shjtnwdaehgu3wvfskueqpn4mze) kurz zusammengefasst sind. 
*Titelbild: Wikipedia, der Künstler Dani Karavan hat in drei Meter hohe Glasscheiben eines Außenhofes des Jakob-Kaiser-Hauses am Bundestag die 19 Grundrechtsartikel des Grundgesetzes mit Laser eingraviert.*