
@ FIFFEL
2025-04-22 12:47:31
"Die Tatsache, dass das Leben keinen Sinn hat, ist ein Grund zu leben – und zwar der einzige." – Emil Cioran
Der Mensch steht im Zentrum eines Raumes, der sich weigert, eine Mitte zu haben. Alles um ihn herum scheint geordnet, doch diese Ordnung ist ein leises Zittern vor dem Chaos, das jede Struktur unterwandert. Es gibt kein Versprechen, das nicht gebrochen wird, kein Licht, das nicht aus einer tieferen Dunkelheit geboren wird. So flackert die Existenz – ein schwankender Schein über einem Abgrund, der kein Echo zurückgibt.
Das Nichts ist nicht Abwesenheit. Es ist Gegenwart ohne Form. Es liegt nicht hinter den Dingen, sondern in ihnen – wie ein Geruch, der bleibt, wenn alle Türen geschlossen sind. Es ist der unsichtbare Kern der Welt, der Grund, warum jedes Wort in sich selbst zerfällt, jede Bewegung zu spät kommt, jeder Sinn sich verflüchtigt, sobald man ihn greifen will. Das Schweigen des Universums ist keine Antwort – es ist die endgültige Form der Gleichgültigkeit.
Wer dem Nichts begegnet, verliert nicht die Hoffnung – er erkennt, dass es nie Hoffnung gab, nur das Bedürfnis danach. Die Leere ist kein Loch, das gefüllt werden will, sondern ein Zustand, der alles durchdringt. Man lebt nicht trotz des Nichts – man lebt im Nichts, als Ahnung, als Abdruck, als Fußspur im Staub eines Raums, den niemand betritt.
Melancholie ist kein Gefühl, sondern ein Aggregatzustand des Bewusstseins, das zu viel gesehen hat, um noch zu glauben. Sie trägt kein Schwarz, sie schreit nicht. Sie fließt durch uns wie ein langsamer Strom, der die Farben der Dinge auswäscht. In ihr liegt kein Wunsch nach Erlösung, sondern nur das Wissen, dass selbst Erlösung eine weitere Form von Fessel wäre. Man kehrt nicht heim, man löst sich auf – langsam, leise, endgültig.
Der Tod ist nicht der Feind des Lebens, sondern seine Form. Leben ist der Prozess des langsamen Verschwindens, und Sterben ist nur die letzte Geste einer Bewegung, die längst begonnen hat. Die Zeit nimmt nicht, sie löscht. Sie lässt zurück, was nicht mehr gefüllt werden kann: ein Umriss, eine Hülle, ein Bild ohne Substanz. Der Mensch verliert sich nicht am Ende, sondern in jedem Moment, den er durchschreitet.
Erinnerung ist kein Besitz, sondern eine Wunde. Was zurückblickt, blickt durch einen zerbrochenen Spiegel – jedes Fragment spiegelt etwas, aber nie das Ganze. Und wer sich darin sucht, findet nicht sich selbst, sondern die Lücken zwischen den Bildern. Vergangenheit ist nicht, was war, sondern das, was nie ganz war – und deshalb nie ganz vergeht.
Existenz ist ein Exil. Nicht von einem Ort, sondern von sich selbst. Man ist sich nicht nahe, man ist sich fremd – und in dieser Fremdheit liegt keine Tragik, sondern ein nüchterner Frieden. Die Einsamkeit ist kein Zustand, sondern die einzig mögliche Beziehung zur Welt. Alles andere ist Täuschung, ein letzter Versuch, das Unvereinbare zu versöhnen.
Sinn verflüchtigt sich mit jeder Geste, die ihn zu fassen sucht. Je näher man kommt, desto mehr löst er sich auf – wie Nebel vor der Hand. Was bleibt, ist das Bild der Suche selbst, eine Bewegung im Leeren. Man begreift nicht – man kreist. Und in diesem Kreis liegt der Kern der Erfahrung: nicht das Ziel, sondern die Auflösung aller Ziele.
Die einzige Freiheit liegt nicht im Handeln, sondern im Entgleiten. Der Verzicht auf Bedeutung, auf Richtung, auf Rettung – das ist der erste Akt der Selbstermächtigung. Nicht laut, nicht kämpferisch, sondern als stilles Hinwegtreten aus dem Spiel. Dort beginnt das, was nicht mehr genommen werden kann: die Unabhängigkeit vom Verlangen.
Nichts bleibt. Und gerade deshalb geschieht alles. Nicht um zu sein, sondern um zu vergehen. Und vielleicht liegt darin die letzte Schönheit – nicht im Bestehen, sondern im Verlöschen. In der Fähigkeit, in Ketten zu tanzen, wissend, dass jede Kette aus Licht besteht, das schon lange erloschen ist.