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@ Roland
2025-02-22 17:45:48
Trumps Antrittsrede, seine Präsidentenerlasse, Personalentscheidungen und Amtshandlungen hatten schon in kurzer Zeit die Konturen der künftigen US-Außenpolitik erkennen lassen. Aber in München sprach der Vizepräsident auf einer bedeutenden Konferenz direkt zu den Europäern, den “Partnern” und “Verbündeten”. Und was er ihnen in aller Deutlichkeit mitteilte, war nichts anderes als eine 180-Grad Kehrtwende zur Politik der Vorgänger-Regierung. Die Botschaft war kein Vorschlag, sondern eine Ansage, die Inhalte sind inzwischen hinlänglich bekannt. Obwohl die Rede erwartungsgemäß mehr als reichlich kommentiert wurde, möchte ich noch einige Aspekte ergänzen, die ich bisher in den Kommentaren vermisst habe.
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Im November 1988 wurde die Auslieferung der sowjetischen Zeitschrift “Sputnik” in der DDR gestoppt, was einem Verbot gleichkam. Der Anlaß waren kritische Betrachtungen über Stalin und Berichte über den Hitler-Stalin-Pakt, den es laut DDR-Geschichtsschreibung nicht gab. Es war eine Zensur von Informationen aus dem Land des “großen Bruders”, der Führungsmacht der sozialistischen Welt. Das Diktum “von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen” galt erkennbar nicht mehr. Das war zugleich der Höhepunkt einer ideologischen Entfremdung die 1986 begonnen hatte, als Gorbatschow “Glasnost” (Offenheit) und “Perestroika” (Reformen) einforderte, welche von der vergreisten DDR-Führung als unnötig und gefährlich abgelehnt wurden. Gorbatschow hatte richtig erkannt, dass die sozialistischen Staaten ökonomisch und gesellschaftlich gescheitert waren und ohne Reformen nicht überleben würden. Die Einsicht kam aber zu spät, die DDR kollabierte bereits ein Jahr später an ihrem Reformstau, die UdSSR Ende 1991 trotz der begonnenen Reformversuche.
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Die Parallelen sind unverkennbar, eklatante politische Fehler (u.a. Euro seit 2009 und Migration seit 2015) haben die EU-Staaten zunächst zu Sanierungsfällen gemacht, durch die Corona-Politik zu Insolvenzkandidaten. Der Rubikon ist längst überschritten, die Schönwetter-Union ist nicht mehr zu retten. Den Amerikanern ist das klar, daher sind die Reform-Appelle von Vance wohl eher seiner Höflichkeit zuzurechnen. Für die US-Regierung ist die EU bereits jetzt nicht mehr existent, Verträge werden wieder direkt mit den Mitglieds-Staaten getroffen, und in den Ukraine-Verhandlungen ist kein Platz am Verhandlungstisch. Die Themenbereiche bei den Gesprächen in Riad haben aber auch gezeigt, dass Amerikaner und Russen in global-strategischen Dimensionen denken, die Ukraine ist zurecht nur ein Randthema. Die aktuelle Rhetorik europäischer Politiker hingegen ist niveaulos und kleinkariert, man spielt in der 2. Liga, die EU hat sich selbst vom Akteur zum Objekt degradiert.
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Was bedeutet das für unsere Zukunft? Und was ist von der neuen US-Führung zu erwarten? Die unsäglichen Diskussionen darüber ob nun Trump und Musk gut oder böse sind, vernebelt nur eine klare Tatsache. Die EU hat keinen Rückhalt mehr vom “großen Bruder”, weder durch die NATO in Sachen Ukraine, noch durch Zensur von Systemkritikern (USAID, BigTech). Letzteres führt zu drei fundamentalen Veränderungen.\
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1\. Das Narrativ von den “westlichen Werten” ist tot. Auf diesem Axiom der USA basierte die gesamte Propaganda-Maschine, es wurde zur Religion. Nun versuchen gerade Provinzpolitiker wie Pistorius und Habeck mit beschränkten rhetorischen Mitteln zu definieren was “westliche Werte” ohne die USA sind, was mehr für Begeisterung bei Satirikern beiträgt als zur Überzeugung von Tagesschau-Anhängern.\
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2\. Die Deutungshoheit geht verloren weil immer mehr Publizisten ihr Fähnchen in den sich drehenden Wind hängen, sofern sie noch von Leser-Abos und Werbekunden abhängig sind. Die einsetzende Kakophonie verwirrt die Masse der schlichten Medien-Konsumenten, die über Jahrzehnte auf Nachrichten-Konformität dressiert worden sind. \
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3\. Weniger Zensur in den sozialen Medien verschafft den kritischen Stimmen mehr Reichweite, “bedrohliche” Meinungsvielfalt entsteht. Leider können die meisten Kritiker aber nur kritisieren, was uns zurück in die Zeiten des Sputnik-Verbots führt.
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Die DDR-Opposition hat beim Abriss der DDR mitgewirkt, über diese Rolle ist sie aber nie hinaus gekommen. Als die Mauer gefallen war und es um die Neugestaltung ging, hat sie kläglich versagt. Dem Großteil der heutigen Opposition droht das selbe Schicksal, weil sie keinen Plan für die Stunde Null hat. Bei Tauwetter darf man nicht mehr über den Winter diskutieren, sondern über das Bestellen der Felder. Wer die Saat ausbringt, entscheidet über die Ernte. Den Kollaps betreffend ist nur noch der Zeitpunkt unklar, für den Zeitraum danach jedoch alles. Wenn wir uns eine Bürgergesellschaft wünschen, dann müssen wir jetzt als Bürger aktiv werden, also DU, Leser. Spende für Pareto, oder für kritische Autoren und Aktivisten. Mach Dir Gedanken über die Zukunft und publiziere sie, hier auf Pareto, wir fördern den Bürger-Journalismus. Schließe Dich einem Projekt an, leiste einen Beitrag und gestalte die Zukunft. Macht wird nicht verteilt, Macht muss man sich erkämpfen.\
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