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2025-05-05 03:30:42
Anti-Spiegel (Artikel)
De-Dollarisierung
Der selbstverschuldete Niedergang von SWIFT
Das internationale Zahlungssystem SWIFT wurde vom Westen immer wieder als Waffe im geopolitischen Kampf genutzt, weshalb überall auf der Welt Alternativen entstehen. Dadurch bröckelt die Macht von SWIFT und damit auch die Wirksamkeit der westlichen Sanktionen.
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von Anti-Spiegel
4. Mai 2025 18:10 Uhr
Was genau SWIFT eigentlich ist, wissen wohl nur die wenigsten. Das vom Westen kontrollierte internationale Zahlungssystem SWIFT wurde in den letzten Jahren vermehrt im Sanktionskrieg gegen diverse Staaten instrumentalisiert, weshalb das internationale Vertrauen in solche westlichen Systeme und damit auch in westliche Währungen, vor allem den US-Dollar, schwindet. Viele Staaten und Staatenbünde haben eigene Alternativen zu SWIFT eröffnet oder entwickeln sie.
Bei The Cradle, einem auf Geopolitik spezialisierten News-Portal aus Westasien, ist ein interessanter Artikel über das Thema SWIFT erschienen, den ich übersetzt habe.
Beginn der Übersetzung:
Der Niedergang von SWIFT: Wie globale Mächte der Dollarfalle entkommen
Die USA haben SWIFT zu einer Waffe gemacht, mit der sie ihre Rivalen bestrafen – doch inzwischen suchen sowohl Verbündete als auch Gegner nach Wegen, dem vom US-Dollar dominierten globalen Finanzsystem zu entkommen.
von Aidan J. Simardone
Die Instrumentalisierung des globalen Finanzwesens ist zu einem zentralen Element der US-Außenpolitik geworden. Im Mittelpunkt steht dabei die Kontrolle Washingtons über die Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication (SWIFT– Gesellschaft für die weltweite Telekommunikation zwischen Banken), ein finanzieller Messenger, der einst als neutrale Plattform gegründet wurde, heute jedoch offen zur Durchsetzung westlicher Sanktionen und zur Isolierung geopolitischer Gegner missbraucht wird.
Während US-Präsident Donald Trump allen Ländern, die sich vom US-Dollar abwenden wollen, mit wirtschaftlichen Sanktionen drohte, erlebte er in seinen ersten 100 Tagen im Amt den stärksten Rückgang der US-Währung seit der Ära von Richard Nixon. Dieser symbolträchtige Moment fiel mit einem globalen Wandel zusammen: dem wachsenden Bestreben vieler Staaten, ihre Abhängigkeit von der US-kontrollierten Finanzinfrastruktur zu verringern.
Heute wendet sich eine wachsende Koalition von Staaten – einige bereits sanktioniert, andere noch vorsichtig agierend – vom US-Dollar und dem SWIFT-Netzwerk ab und setzt auf neue Finanzsysteme, die jenseits der Reichweite Washingtons operieren können.
Ein Instruent der wirtschaftlichen Kriegsführung
SWIFT ist weder eine Bank noch ein Verarbeiter von Zahlungsverkehr. Es ist eine Nachrichtenplattform, die es Finanzinstituten ermöglicht, sicher grenzüberschreitende Transaktionsanweisungen zu versenden. Die Attraktivität liegt in Geschwindigkeit, Verschlüsselung und in der nahezu universellen Akzeptanz und Standardisierung. Banken in aller Welt, die mit unterschiedlichen Sprachen und Währungen arbeiten, haben sich lange auf SWIFT verlassen, um ihre Geschäfte reibungslos abzuwickeln.
Dieses Vertrauen erlitt 2006 einen schweren Schlag, als bekannt wurde, dass SWIFT im Rahmen des Terrorist Finance Tracking Program (TFTP – Programm zur Verfolgung der Finanzierung des Terrorismus) heimlich Transaktionsdaten an die CIA und das US-Finanzministerium übermittelt hatte. Diese Überwachung besteht bis heute: Die National Security Agency (NSA) der USA überwacht bis heute den Datenverkehr von SWIFT.
Im Jahr 2012 wurde SWIFT erneut politisch instrumentalisiert: Die Organisation „United Against Nuclear Iran“ (UANI – vereint gegen ein nukleares Iran) setzte SWIFT unter Druck, Teheran aufgrund von Verstößen gegen US- und EU-Sanktionen auszuschließen, was prompt geschah. Als palästinensische Aktivisten aus ähnlichen Gründen einen Ausschluss Israels forderten, blieb dieser jedoch aus. Nach dem Iran folgten Nordkorea (2017) und Russland (2022), auch sie wurden vom SWIFT-System abgeschnitten.
Die daraus gezogene Schlussfolgerung war eindeutig: SWIFT war keine neutrale Organisation mehr. Es war zu einem Instrument der wirtschaftlichen Kriegsführung geworden.
Eine neue Architektur entsteht
Die Abkopplung von SWIFT kann eine Volkswirtschaft über Nacht lahmlegen. Banken werden isoliert und können selbst mit nicht-westlichen Partnern keine Transaktionen mehr durchführen. Der Außenhandel kommt zum Erliegen. Doch diese Taktik erwies sich langfristig als kontraproduktiv.
Nachdem der Westen Russland nach der Annexion der Krim 2014 mit dem Ausschluss aus SWIFT gedroht hatte, entwickelte Moskau sein eigenes System: das System for Transfer of Financial Messages (SPFS – System für die Übermittlung von Finanznachrichten), das 2017 eingeführt wurde. Inzwischen sind 177 ausländische Institutionen aus 25 Ländern daran angeschlossen.
Der Iran, der 2023 eine engere Kooperation mit Russland bekannt gab, arbeitet an einem eigenen Nachrichtensystem für den Interbankenverkehr: dem Automated Currency Management and Exchange Reporting (ACUMER – automatisiertes Währungsmanagement und Wechselkurserfassung). Die größte Herausforderung für SWIFT geht jedoch nicht von sanktionierten Staaten aus, sondern von aufstrebenden globalen Mächten, die künftig selbst ins Visier Washingtons geraten könnten.
China etwa führte 2015 das grenzüberschreitende Interbanken-Zahlungssystem (CIPS) ein. Auch wenn SWIFT weiterhin für viele Transaktionen genutzt wird, verfügt CIPS über eine eigene Nachrichtenebene, die den Handel mit Russland und anderen Partnern erleichtert. Fast 4.800 Banken sind mittlerweile an CIPS angeschlossen – etwa die Hälfte der bei SWIFT registrierten Institute, obwohl CIPS noch keine zehn Jahre alt ist.
Die BRICS-Staaten erkannten früh den Bedarf an einer einheitlichen, grenzüberschreitenden Alternative und begannen 2018 mit der Entwicklung von BRICS Pay. Der Staatenbund, der in seiner wirtschaftlichen Gesamtleistung inzwischen die G7 übertrifft und mehr als ein Drittel der Weltwirtschaft ausmacht, startete 2019 erste Testläufe. Im Oktober 2024 erhielt BRICS Pay die volle Unterstützung Chinas. Obwohl sich das System noch in der Pilotphase befindet, gilt es bereits als der bislang ernsthafteste Herausforderer von SWIFT.
Ein rascher Ausstieg aus dem US-Dollar
Die Abkehr von SWIFT beschränkt sich inzwischen nicht mehr nur auf Rivalen der USA. Im Jahr 2022 startete der Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) – ein Zusammenschluss von zehn überwiegend US-freundlichen Staaten mit rund 600 Millionen Einwohnern – die Initiative Regional Payment Connectivity (RPC – Regionale Zahlungskonnektivität). Diese nutzt nationale Echtzeit-Zahlungssysteme wie Singapurs PayNow und Thailands PromptPay, um direkte Transaktionen außerhalb von SWIFT zu ermöglichen.
Bis dahin mussten grenzüberschreitende Transaktionen zwischen ASEAN-Staaten in der Regel über den US-Dollar abgewickelt werden. Wer etwa Geld von Singapur auf die Philippinen senden wollte, sah sich gezwungen, Singapur-Dollar zunächst in US-Dollar und dann in philippinische Pesos umzutauschen. Mit RPC entfallen solche Währungsumrechnungen, was die Kosten senkt und die Effizienz steigert.
Im selben Jahr initiierte die Afrikanische Union das Panafrikanische Zahlungs- und Abwicklungssystem (PAPSS), das ebenfalls SWIFT und den US-Dollar als Vermittlungswährung umgeht. Diese stille Revolution unter Washingtons Partnern deutet auf einen tiefergreifenden Wandel hin: Selbst Verbündete der USA äußern zunehmend Bedenken gegenüber der politischen Instrumentalisierung von SWIFT.
Das Monopol zerschlagen
Trotz dieses Trends wird SWIFT nicht über Nacht verschwinden. Viele Institutionen nutzen das Netzwerk weiterhin parallel zu Alternativen, um ihren Zugang zu globalen Märkten zu maximieren. Doch die Verbreitung neuer Nachrichtensysteme eröffnet Staaten beispiellose Möglichkeiten, ihre wirtschaftliche Souveränität zurückzugewinnen.
Im Jahr 2012 war der Iran noch auf Tauschgeschäfte und Goldschmuggel angewiesen, um die westlichen Sanktionen zu umgehen. Heute kann Teheran über CIPS mit China und über SPFS mit Russland Handel treiben. Je mehr Länder ähnliche Systeme etablieren, desto weniger Wirkung werden künftige SWIFT-Sanktionen entfalten.
Das untergräbt die zentralen Stärken, mit denen SWIFT einst warb. Die Sicherheit? Wurde durch die US-Überwachung und den Hack der Zentralbank von Bangladesch im Jahr 2016, bei dem 81 Millionen US-Dollar entwendet wurden, stark beschädigt. Die Geschwindigkeit? Wird von Echtzeitsystemen wie RPC und PAPSS übertroffen. Die Universalität? Schwindet mit jedem Land, das aus dem Netzwerk ausgeschlossen wird.
Die eigentliche Stärke von SWIFT liegt in seinem Netzwerkeffekt: Es funktioniert, weil es alle nutzen. Doch mit jeder politisch motivierten Abkopplung schrumpft dieses Netzwerk. Im Gegensatz dazu hat Chinas CIPS bisher keine umfassenden Sanktionen verhängt – ein klarer Vorteil für Länder, die finanzielle Stabilität suchen.
Der Einfluss des Dollars bröckelt
Der Niedergang von SWIFT geht einher mit der schwindenden globalen Dominanz des US-Dollars. Da SWIFT als Torwächter fungiert, kann Washington jedes Land bestrafen, das versucht, den US-Dollar aus seinem Handel zu verbannen. Doch sobald Alternativen diese Rolle übernehmen, können sich Staaten für andere Handelswährungen öffnen. Plattformen wie RPC, die in Echtzeit operieren, verringern zudem generell die Notwendigkeit von Zwischenwährungen.
China und Saudi-Arabien prüfen derzeit Handelsabkommen auf Basis des chinesischen Renminbi – ein Schritt, der auf dem Höhepunkt der dollardominierten SWIFT-Ära undenkbar gewesen wäre.
Natürlich wird die finanzielle Vorherrschaft der USA nicht über Nacht enden. Doch der rasante Aufstieg paralleler Nachrichtensysteme zeigt: Globale Akteure – sowohl Gegner als auch Verbündete – finden zunehmend Wege, sich aus dem finanziellen Orbit des Westens zu befreien.
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Quellen & Links
Aidan J. Simardone ist Jurist für Einwanderungsfragen und Autor. Er hat einen Master-Abschluss im Fachbereich globaler Angelegenheiten. Man kann ihm auf X unter @AidanSimardone folgen.
Autor: Anti-Spiegel
Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
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