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@ Philipp Mattheis
2025-04-22 07:28:03Kaiser: Es fehlt an Geld, nun gut, so schaff es denn,
Mephisto: Ich schaffe, was ihr wollt, und schaffe mehr;
Zwar ist es leicht, doch ist das Leichte schwer;
Es liegt schon da, doch um es zu erlangen, das ist die Kunst.
(Goethe: Faust II)
Liebe Abonnenten,
die meisten Medien sind nach wie vor damit beschäftigt, wie sie Trump am eindrücklichsten Wahnsinn unterstellen können. Sie vergessen dabei, worum es eigentlich geht: Ein Drittel aller amerikanischen Staatsschulden müssen dieses Jahr refinanziert werden. Sonst ist das mächtigste Land der Welt demnächst Pleite. Dafür müssen die Doppel-Defizite ausgeglichen, oder zumindest gesenkt werden. Und vor allem müssen die Zinsen runter. Die amerikanische Zentralbank wird den Wünschen der Regierung bald nachkommen, sprich die Zinsen senken und über ein neues Quantitative-Easing-Programm die Geldmenge erhöhen. Ein paar Jahre später werden die Effekte im Alltag über Inflation sichtbar.
Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass wir bald Zeuge eines raffinierten Geld-Recycling-Programms werden. Wir treffen dabei auf einen alten Bekannten, den Stablecoin-Anbieter Tether. Der Essay ist keine leichte Kost, aber wer dabei bleibt, gelangt tief in die wundersame Welt der Geldvermehrung.
Mitte März wagt Paolo Ardoino den Schritt. Der Tether-CEO fliegt von der Hauptstadt El Salvadors nach New York. Es ist die erste Reise in die USA des erst 41-Jährigen seit Jahren. Zu hoch war bisher das Risiko gewesen, dort von den Behörden festgenommen zu werden. Vier Jahre zuvor war das Milliarden-Unternehmen, das er leitet, noch einmal davon gekommen: 2021 war Tether von der amerikanischen Börsenaufsicht mit einer Strafe von 41 Millionen US-Dollar belegt wegen ungenauer Angaben zu seinen Reserven. Man hatte sich schließlich auf einen Vergleich in Höhe von 18 Millionen Dollar geeinigt. Ein Witz, hatten Kritiker des Unternehmens entgegnet. Schließlich, so die Vorwürfe, ging es um Milliarden-Betrug. Seitdem hatten die Tether-Bosse die Vereinigten Staaten aus Vorsicht gemieden. Man war mal in Hongkong, auf den Bahamas und den Bermuda-Inseln, bis man sich Anfang des Jahres offiziell im Bitcoin-freundlichen El Salvador niedergelassen hatte. Doch mit der neuen US-Administration ist alles anders.
Nach New York geladen hat die Firma Cantor Fitzgerald. Thema des Gesprächs: Die Schaffung eines exklusiven Stablecoins für den amerikanischen Markt. Cantor Fitzgerald ist nicht irgendeine Bank oder Unternehmen. Das 1945 gegründete Investmenthaus ist einer von 24 Primärhändlern, die von der Federal Reserve Bank of New York autorisiert sind, US-Staatsanleihen zu handeln. Damit spielen sie eine zentrale Rolle im Finanzsystem der USA, da sie die Liquidität und Effizienz des Marktes für Staatsanleihen sicherstellen, dem wichtigsten und liquidisten Markt der Welt.
Langjähriger CEO von Cantor Fitzgerald war Howard Lutnick, ein Milliardär und seit Jahren enger Vertrauter der Trump-Familie. Da Lutnick mittlerweile US-Handelsminister ist, dürfte Ardoino nicht nur das Ok von ganz oben bekommen haben, in die Vereinigten Staaten einreisen zu dürfen. Man wird ihm wohl auch einen roten Teppich ausgerollt haben. Der Grund:
Die USA haben aktuell ein Problem mit ihrer Verschuldung. (BlingBling hat das in den Essays Die nächsten 90 Tage und Der Mar-a-Largo-Accord beschrieben). Rund ein Drittel des gesamten Schuldenbergs der USA müssen dieses Jahr refinanziert werden. Dafür müssen die Zinsen runter. Deswegen will Trump unbedingt das Handelsdefizit ausgleichen. Deswegen wird über die Neubewertung der Goldreserven nachgedacht. Und deswegen wird vermutlich bald eine neue Liquiditätswelle die Kurse von Bitcoin und Co auf neue Höchststände treiben. Denn bisher haben Staaten in solchen Phasen immer auf Geldentwertung gesetzt, um sich aus der Schuldenfalle zu befreien. Anders als Privatpersonen und viele kleinere Staaten können die USA immerhin die Währung selbst drucken, in der sie verschuldet sind. Die amerikanische Staatsverschuldung ist das Endgame. Und im Endgame spielt Tether mittlerweile eine ziemlich wichtige Rolle. Der Stablecoin-Anbieter hält mit 113 Milliarden aktuell mehr US-Staatsanleihen als Deutschland. Tendenz steigend: Ende 2024 war Tether mit 31 Milliarden der siebtgrößte Käufer von amerikanischen Staatsschulden.
Wie kann ein obskures Unternehmen, mit nicht einmal 100 Mitarbeitern, im vergangenen Jahr 13 Milliarden Dollar Gewinn machen, und zu einem der wichtigsten Kunden des amerikanischen Staats werden?
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