
@ Michael Meyen
2025-03-08 14:45:54
Manchmal ist es anstrengend mit den Kommentaren. Irgendjemand weiß immer irgendetwas besser und will das aller Welt auch zeigen – anonym natürlich. Man gönnt sich ja sonst nichts. Auch bei meinem [Gespräch mit Michael Beleites](https://youtu.be/qh4m2Jtq74k) gab es ein paar Nörgler. Schaut euch den Geparden an oder den Dingo. Dann seht ihr schnell, wie falsch ihr liegt. Eine Nummer größer: Ihr habt den Darwin nicht verstanden. Oder ganz im Gegenteil: alles kalter Kaffee, seit Menschengedenken bekannt. Meist fällt mir ein Sprüchlein ein und ich kann das für mich abhaken.
Diesmal war es anders. Wenn es buchstäblich um Gott und die Welt geht, kommt man nicht mehr durch mit einer Standard-Antwort. Ich kann das hier gar nicht alles aufzählen. Was den Zuschauer triggert, hängt auch und vor allem von ihm selbst ab. Und Michael Beleites liefert Andockstationen noch und nöcher. „Die Wissenschaft ist sich einig“? Nicht für @brigittegartner7946. „Eine Migrationspolitik, die Völker und Ethnien um den halben Erdball treibt“? Passt für @hildegverakaethner3340 nicht zu der Erkenntnis, dass sich der Mensch dort am wohlsten fühlt, wo er geboren und aufgewachsen ist. Marsbesiedelung? Keine Option für @d.l.6789. Dafür umso mehr: „Den Kindern das Staunen geben“, nicht nur für @Romasi54.
> „Zeit, Ruhe, Gelegenheit und Bestätigung – zu selten erleben Kinder das. Oft kommt ein belehrender Erwachsener dazwischen. Und dabei sind Erwachsene einfach nur eher geboren. Lassen und geben wir den Kindern ihre eigenen Erlebnisse, Entdeckungen, Erkenntnisse.“
Das Thema DDR spielte für das Publikum kaum eine Rolle, obwohl es im Gespräch ja auch um Zersetzung einst und jetzt geht und darum, dass die Cancel Culture von heute viel mehr Jünger anzieht als alles, was die Stasi je versucht hat. 96 Prozent der DDR-Bürger, so Michael Beleites hinterher bei uns im Wohnzimmer, haben davon nicht viel mitbekommen. Zwei Prozent Täter und zwei Prozent Opfer so wie er – Menschen, die oft bis heute die Deutungshoheit haben über die Vergangenheit und die, so sieht das Michael Beleites, schon in den 1990ern damit angefangen haben könnten, die Maßstäbe für das Miteinander zu verschieben. Kommentar eines Westdeutschen online: Ich bin „immer stark beeindruckt, wenn ich mit Ostdeutschen kontrovers diskutiere oder Ostdeutsche sich kontrovers auseinandersetzen. Ruhig und sachlich. Meine Frau, Französin, spürt immer sofort, wer West- und wer Ostdeutscher ist.“ Letzter Schnipsel aus der YouTube-Welt: @fotografiker2 bietet an, „mit zur Schaufel“ zu greifen, wenn die „Logik des Wettbewerbs“ beerdigt wird. Da sind wir schon mindestens drei.
Was bleibt von so einem Gespräch? Die Persönlichkeit des Gastes, klar, aber das ist eine Plattitüde. Was macht einen Menschen zu dem, was er ist? Sein [Buch](https://www.freie-medienakademie.de/medien-plus/resonanz-aus-dem-osten), sagt Michael Beleites in die Kamera, habe ihm Klarheit gebracht. Einmal alles aufgeschrieben und dann auch erlebt zu haben, wer wie reagiert: Das sortiert die Dinge genauso wie die Menschen – vor allem dann, wenn man sich vorgenommen hat, gegen den Strom zu schwimmen, und außerdem weiß, was es bedeutet, einen Konflikt nicht nach außen zu bringen, sondern ihn weiter mit sich herumzutragen. Michael Beleites kann gelassen aussprechen, dass die Wissenschaft nicht gern zugibt, nichts zu wissen, dass sie cancelt und dass es so jenseits von Studium und akademischer Laufbahn möglicherweise leichter ist, der Wahrheit auf den Grund zu gehen. Hier: die Sache mit dem Kampf ums Dasein. Als die Kameras aus waren, erzählte ein Zuschauer von den Schlangen in seiner Zucht. Mächtige Männchen, die verbissen miteinander ringen und gar nicht merken, dass das Weibchen derweil von einem Schwächling begattet wird. Und dann die Schönheit der Natur, die sich weder über Zweckmäßigkeit erklären lässt noch mit einem Züchter im Verborgenen.
In den YouTube-Kommentaren finden sich viele ganz persönliche Geschichten. Stellvertretend sei hier @st.p.5025 zitiert:
> Während meiner Arbeit (in einem Stadtpark) habe ich immer wieder die Möglichkeit, genau das seit Jahren zu beobachten, wovon hier die Rede ist. Auch dass eben nicht nur der Stärkste gewinnt. Bei den Enten und den anderen Wasservögeln, den Singvögeln, auch bei Eichhorn, Nutria und Co. Zudem ist es bei unterschiedlichen Arten nicht selten, dass sich die vermeintlich Schwächeren gegen den als stärker Geltenden durchsetzen. Auch wie die Kämpfe untereinander ablaufen oder vielmehr, wie diese aufgelöst werden. Oder, ihr Sozialverhalten in ihrer Gemeinschaft, welche Art in welchem Jahr überwiegt, dominiert usw. All das bringt auch mich Tag für Tag zum Staunen! Jede Lebewesen-Beobachtung bedeutet für mich Lebensqualität, gesundes Lernen und Freude. Und gibt mir tatsächlich auch Mut. Beispielsweise, dass eben nicht immer nur der „Stärkste“ gewinnt, wie Kämpfe aufgelöst oder verhindert werden.
Michael Beleites formuliert aus, was sich daraus ableiten lässt. Nicht „Ich“ *oder* „Du“, sondern „Ich“ *und* „Du“. Lasst uns ausloten, was gemeinsam geht. Lasst uns verhindern, dass die Landschaft zerstört und aufgefressen wird. Lasst uns das dezentral angehen – ein jeder am besten dort, wo er spürt, dass es ihm gut geht.

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